Fanfiction
Every day
Autor: Mrs. FredrikssonMarie gähnte und schaute auf die Uhr auf ihrem Bildschirm. 20 Minuten nach elf. Keine ungelesenen Nachrichten in ihrem Posteingang. Nichts neues, weder in ihrem PC, noch in ihrem Leben. Das Fenster war offen, sie ließ die frische Luft eines Sommerabends hinein. Die Stille des Hauses in diesen Abendstunden war sehr ungewohnt, sie war daran gewöhnt, den Fernseher zu hören und ihren Mann. Aber zwei Wochen lang musste sie nun die Stille hinnehmen: Micke und die Kinder waren zu Mickes Mutter gefahren. Nicht, dass er nicht versucht hätte, sie zu überreden, gemeinsam zu fahren. Nicht, dass sie das nicht wollte. Nicht, dass sie nicht froh war, nicht zwei Wochen mit ihren Kindern zu verbringen, die Ferien hatten.
Es hatte schon viel länger davor angefangen. Micke's Unzufriedenheit darüber, dass sie zuviel arbeitete und zu wenig Zeit mit ihm verbrachte und ihr schon lange vergessener Wunsch nach privatem Frieden. Ihre Krankheit hatte sie unweigerlich wieder zusammen gebracht, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Sie fühlte sich stark, wenn sie im Krankenhausbett aufwachte und ihn neben dem Bett sitzen sah.
Er war an ihrer Seite, wenn sie sich schlecht fühlte nach der Chemotherapie, wenn sie Kraft brauchte, um ihre Kinder anzulächeln, wenn sie eigentlich weinen wollte. Er tat alles für sie, aber seit einigen Monaten, seit es ihr wieder besser ging und wieder alleine zurecht kam und wieder anfing zu arbeiten, fühlte sie wieder seine Kühlheit.
Und wenn vor einigen Jahren ihre gelegentlichen Streits mit wildem Sex endeten, so schliefen sie heute Rücken an Rücken aneinander ein, missverstanden und ungehört. "Kommst du mit uns?", fragte Micke am Tag zuvor, nachdem er mit seiner Mutter telefoniert hatte. "Ich würde gerne, aber ich hab im Studio jede Menge zu tun. Per hat eine neue Demo gemacht und.." "Kannst du diese verdammten Demos nicht mal zur Hölle schicken, wenigstens für eine Woche oder vielleicht ein Jahr?" Marie war irritiert. "Nein, kann ich nicht."
"Perfekt", sagte Micke, nahm die Kinder und fuhr noch am gleichen Abend zum Flughafen. Es war das größte Pech überhaupt: der Höhepunkt ihrer angespannten Beziehung kam genau dann, wenn sie die anstrengendste Woche im Studio hatte und sie wusste, dass es nutzlos war, Micke um eine weitere Chance zu bitten. Es war wie eine Falle. Als die Haustür zuschlug und die Stille das Haus erfüllte, rollten heiße Tränen über ihr Gesicht.
Bei ihrer Hochzeit was sie die glücklichste Frau der Welt. Was für ein Narr sie war, zu glauben, dass sie ihr Selbst dadurch stärken könnte. Micke hatte sie aus ihrer tiefsten persönlichen Krise geholt, er gab alles, was sie so dringend gebraucht hatte: Familie, Schutz und Sicherheit für die Zukunft. Sie sah zu spät, dass sie aus Dankbarkeit Liebe machte. Und sie hatte die Chance vergeben, mit dem einzigen Mann zusammen zu sein, den sie jemals geliebt hatte.. Marie löste sich von diesen Gedanken, als der Monitor leicht knisterte und sich der Bildschirmschoner einschaltete. Sie drückte keine Taste, um ihn aufzuwecken und ging aus dem Schlafzimmer.
Als sie runterging, spürte sie wieder die Stille um sich herum. "The silence was so thick, you could cut it with a knife", erklang in ihrem Kopf, unfreiwillig. Achte Jahre zuvor war es Micke gewohnt mit Josie alleine zu seiner Mutter zu fahren, während sie in Schweden blieb, um zu arbeiten. Und sie war es genauso gewohnt, der Stille in ihrem Haus zuzuhören. Aber acht Jahre zuvor war auch die Stille anders, ganz zu schweigen von anderen Dingen. In der Küche nahm sie Milch aus dem Kühlschrank, schüttete etwas in ein Glas und setzte sich auf den Tisch, versank wieder in Erinnerungen.
Als sie das erste Mal merkte, dass sie dieses Gefühl hatte, war es 1988, als sie gerade "Look Sharp!" in Halmstad aufnahmen. Sie wollte nicht mal daran denken. Sie hatte solche Angst, dass sie sich selbst verbat, ihm Bett, zu Hause von ihm zu träumen. Aber er war hartnäckig und eroberte ihre Träume, wenn sie keine Macht über ihre Gedanken hatte. Sie wachte dann auf, schmeckte immer noch seine Küsse, spürte seine Berührungen. Die Fans und die Presse hatten ihnen immer unterstellt, dass sie mehr als Freunde waren, aber sie hatten sich nicht mal geküsst.
Sie hatte immer Angst, dass irgendjemand ihre geheimen Gefühle enthüllen würde. Ein Blick konnte so vieles lagen, wirklich viel. Noch mehr. Er konnte alles sagen. Während langen Winterabenden zu Hause malte sie in ihrem Studio oder schaute einfach aus dem Fenster und sie konnte nicht verhindern, daran zu denken, wie er sie aus Versehen im Studio berührte, sie halb umarmte, sie anlächelte. Sie wurde immer rot und lächelte zurück, als ob sie das Spiel mitmachen würde. Und niemand außer ihr wusste, wie stark ihr Herz schlug.
Es gab einen Abend, etwa vor zwei Jahren, als sie am PC saß. Es war fast Mitternacht, Micke schlief fest, nur sie war ruhelos. Plötzlich hatte sie die Idee, sich einige Roxette-Seiten im Internet anzusehen, nicht ohne Schwierigkeiten kam sie auf eine Seite mit Links und klickte auf den Ersten. Artikel, Interviews, Fotos, Fotos, Fotos. Sie wusste nicht einmal mehr, wann und wo sie gemacht wurden. Und was ist das? Sie sah genauer hin und klickte auf den ersten Link. "Crazy About You", "Another Night", "The Man In Her Dreams"...mit zitternden Fingern klickte sie auf einen dieser Namen.
Was ihre Augen sahen, brachten sie zum Erröten. So dass sie sogar das Blut in ihren Wangen pulsieren fühlte. Ihr wurde heiß, sie schloss die Seite schnell und mit zitternden Händen schaltete sie den Computer ab. Diese Fans...sie schienen ihre tiefsten Gedanken zu kennen, alles..das geheimsten Wünsche, die sie sich nicht einmal selbst eingestehen konnte. Ihr sexuellen Fantasien, die sie einschnürten, jedes Mal wenn sie mit ihrem Mann Liebe machte. Der Name, vor dem sie Angst hatte, dass sie in in wildester Leidenschaft rufen könnte. Sie schaute zu Micke, aber er schlief. Am nächsten Tag im Studio hatte sie Angst davor, dass ER in ihren Augen lesen würde, was sie am Abend zuvor erlebt hatte.
In Erinnerungen schwelgend, verließ Marie komplett die äußere Welt und kam erst wieder in die Wirklichkeit zurück, als keine Milch mehr in dem Glas war, während sie versuchte, noch einen Tropfen daraus zu trinken. Sie sah auf die Küchenuhr: halb zwölf. Nicht spät für sie. Als sie in Västmannsgatan lebte, war sie es gewohnt um vier Uhr morgens in Bett zu gehen. Sie saß auf dem Sofa mit einer Flasche Whiskey und bemitleidete sich selbst. Sie rieb ihre Augen um die Versionen der Vergangenheit wegzuwischen. Aldrig tillbaka mer. Vergangen ist vergangen. Nur wenn es dich nicht verfolgt, jedes Mal wirst du dich miserabel fühlen. Als Marie ins Schlafzimmer zurückkam, sah sie, dass sie vergessen hatte, den Computer abzuschalten.
Sie bewegte die Maus und der Monitor schaltete sich wieder ein. "Heute nacht werde ich so lange hier sitzen, wie ich will", dachte sie. "Da ist kein Micke, der böse auf mich ist, weil ich ihm keine Aufmerksamkeit schenke". Sie sah auf die Links, die links neben ihrer Mailbox aufleuchteten. Nicht ohne Gänsehaut, klickte sie auf "Chat". Das letzte Mal, als sie in einem Chat war, war über ein Jahr her, sie und Per chatteten bei Aftonbladet mit Fans. Per chattete am meisten, da sie entweder telefonierte oder zu langsam im Schreiben war.
Per konnte nicht anders, als sie auf dem Heimweg damit aufzuziehen. Nickname wird verlangt..Marie dachte nach. Lassen wir sie, sagen wir, Michelle sein. Sie liebte diesen Namen. Aber nein, wenn Fans im Chat sein sollten, würden sie sie sofort erkennen. Okay..R-ö-d-a-r-o-s. ENTER. Die Momente, in denen sie verbunden wurde, kamen ihr wie Jahre vor. Ihr Herz schlug stark in ihrer Brust, wie vor dem ersten Date…aber als sie im Chatraum war, sah sie, dass sie alleine war. "Sogar noch besser", dachte sie. Und sie beschäftigte sich damit, verschiedene Tasten am unteren Ende der Seite auszuprobieren, die die Farbe der Schrift änderten und Smilies formten.
Rödaros Hej
Rödaros Ich heiße Marie Fredriksson
Rödaros fantastisch
Rödaros FANTASTISCH
Marie lachte laut. Sie spielte mit verschiedenen Schriftarten und Farben und am Ende hatte sie komplett vergessen, warum sie hier war.
*****SthlmsPojke has joined the chat
"Oj!" murmelte Marie, als sie sah, dass jemand in den Chatraum kam. Sie blieb ruhig und wartete darauf, dass der Fremde zuerst schrieb.
SthlmsPojke Guten Abend, Rödaros.
SthlmsPojke Bist du neu hier?
So schnell sie konnte, schrieb Marie erst "hello", doch ersetzte es dann schnell noch durch "hej". Es dauerte etwas und Marie war irritiert. Sie hatte Angst, dass der Fremde ungeduldig werden könnte und den Raum wieder verließ.
Rödaros hej